achdem ich im Krankenhaus meine erste OP überstanden hatte, kam der Oberarzt zu mir und meinte, er würde mir raten einen Termin bei der Humangenetik auszumachen.
Wieder etwas, womit ich mich nie beschäftigt hatte und ich nicht wusste, was das bedeutete… Wie ich dann lernte, gibt es in unserer DNA gewisse Mutation an Genen, die nachweislich das Brustkrebsrisiko massiv erhöhen. Normalerweise dauert diese Auswertung sehr lange, aber bei Akutpatienten ist es therapieentscheidend. Denn bei diesen bekannten Mutationen (BRCA1 und BRCA2) ist auch die Rezidivquote so hoch, dass generell eine Brustamputation angeraten wird und ab 40 auch die Entfernung der Eierstöcke.
Da ich keine der typischen Risikofaktoren einer Brustkrebserkrankung hatte, „zu jung“ war und es in meiner Familie vermehrt Krebs gab, war sich das Tumorboard recht sicher, dass ich diese Mutationen in mir trage.
Das war der nächste Schock für mich. War ich doch gerade mitten in der Stimulation für die Follikelentnahme, denn ich habe mich dazu entschieden Eizellen einfrieren (was ich damals im übrigen noch komplett selbst zahlen musste – bis heute sind das weit über 10.000€) zu lassen. Aber das würde ja bedeuten, sollte ich je Kinder haben, würde ich das recht sicher weitergeben… Ich stellte die ganze Vorgehensweise in Frage und kümmerte mich sofort um den Termin.
Als nächstes bekam ich Fragebögen und sehr viel Infomaterial zugeschickt. Ich sollte die Krankheitsgeschichte bis inkl. Geburts- und Sterbedaten bis zu meinen Urgroßeltern ausfüllen. Vieles wusste ich nicht und für die genauen Daten habe ich dann einen Ausflug zum Friedhof gemacht.
Der Termin kam danach recht zügig. Der Arzt war sehr nett und erklärte mir noch einmal ausführlich, dass sie mit diesen Genmutationen allerdings bisher leider nur einen Bruchteil der familiären Häufungen erklären können, aber mit meinem Test (wenn ich denn Einverstanden bin) würde ich diese Forschung natürlich auch unterstützen. Da ich mir eh schon sicher war, dass ich es wissen will, nahm er mir Blut ab und gab mir noch ein Buch mit „Ansichtssache“ mit sehr wertvollen Beiträgen und sehr ästhetischen Bildern von Frauen mit teils- oder ganz amputierter Brust.
Beim wochenlangen Warten auf das Ergebnis gewöhnte ich mich bereits an den Gedanken und verabschiedete mich von meiner Brust. Als der lang ersehnte Brief endlich kam und ich zum Gespräch in die Humangenetik fuhr, war ich eigentlich sicher, was mir nun gesagt werden würde. Ich könnte mich nun endgültig von meinem Kinderwunsch und meiner Brust verabschieden.
Aber dem war nicht so. Ich trage diese bekannten Genmutationen NICHT in mir. Obwohl das so tolle Nachrichten sind, denn es erhöht vor allem meine Heilungschancen, bin ich danach tief traurig und nur noch am heulen. Ich kann mich anfangs gar nicht darüber freuen, einfach weil wieder etwas anders als erwartet gelaufen ist.
Es sind so unfassbar viele Themen mit denen sich ein Krebspatient auseinander setzen muss und alle sind potentiell tödlich oder wirken sich zumindest auf die komplette Lebensplanung aus. Dann ist noch alles zeitkritisch und die Entscheidungen sind endgültig!
Was das langfristig mit der Psyche macht ist einfach enorm!
Und das ist jetzt nur 1 Thema, währenddessen hatte ich ja noch meine Nachresektion, Port-OP, Follikel-Punktion und die Chemo…
So geht es die ganze Therapie, meist 1 Jahr lang und danach erwartet jeder, dass du happy bist, dass du es geschafft hast und „gesund“ bist.
Du hast vielleicht kein Krebs mehr, aber gesund bist du noch lange nicht.
Nach diesen vielen Monaten des Überlebenskampfes fängt die Verarbeitung erst dann an, wenn der Rest der Welt dich schon wieder als „gesund“ ansieht.
Daher ist dieser Weg zurück ins Leben oft so schwierig. Und deshalb begleite ich dich gerne mit psychoonkologischer Beratung, während aber auch nach deiner Therapie, denn ich weiß wie sich das anfühlt!